Barrierefreiheit auf Websites: Grundlagen, Anforderungen und praktische Umsetzung

Veröffentlicht am Mai 16, 2025
Inhaltsverzeichnis

Über eine Milliarden Menschen leben laut UN mit einer Behinderung. Hinter dieser Zahl stehen individuelle Geschichten von Menschen, die alltäglich auf Barrieren stoßen, die anderen oft verborgen bleiben. Barrierefreiheit bedeutet weit mehr als Rampen oder Aufzüge. Sie steht für das Recht auf gleiche Teilhabe – überall auf der Welt.

Die UN-Behindertenrechtskonvention macht deutlich: Zugänglichkeit ist ein Menschenrecht. Staaten und Unternehmen müssen Barrieren abbauen, digital wie physisch. Das ist nicht nur Pflicht, sondern auch Chance. Wer barrierefreie Angebote schafft, erschließt neue Märkte und begegnet einer immer älter werdenden Weltbevölkerung mit Weitblick.

Barrierefreiheit ist damit eine globale Aufgaben. Sie bringt soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Vorteil zusammen.

Barrierefreiheit Logo plus website

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Die Vorteile von Barrierefreiheit

1. Größere Zielgruppe

Rund 15 bis 20 Prozent der Weltbevölkerung leben mit einer Behinderung, die den Zugang zu digitalen Angeboten erschwert (WHO). In Europa betrifft das etwa 87 Millionen Menschen. Unternehmen, die barrierefrei gestalten, erschließen also nicht nur einen ethisch wichtigen, sondern auch wirtschaftlich relevanten Markt. Das erweitert die Reichweite erheblich und sendet ein starkes Signal: Alle sind willkommen.

2. Mehr Conversions: Bessere Usability für alle

Barrierefreie Websites überzeugen nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern heben die gesamte User Experience auf ein neues Level. Klare Strukturen, intuitive Bedienung und bessere Lesbarkeit machen es allen einfacher. Studien belegen: Optimierungen für Accessibility führen häufig zu einem messbaren Anstieg der Conversion Rates.

3. SEO Boost: Barrierefreiheit verbessert die Auffindbarkeit

Barrierefreiheit und SEO gehen Hand in Hand. Strukturiertes HTML, klare Überschriften, ALT-Texte und verständliche Links sorgen dafür, dass Suchmaschinen Inhalte besser erfassen. Google bestätigt: Was barrierefrei ist, wird oft auch besser gerankt. Accessibility zahlt damit doppelt ein – auf Sichtbarkeit und Nutzerfreundlichkeit.

4. Rechtssicherheit: Der Europäische Accessibility Act kommt

Ab Juni 2025 verpflichtet der Europäische Accessibility Act viele Unternehmen zur digitalen Barrierefreiheit. Verstöße können Bußgelder und Imageschäden nach sich ziehen. Vorausschauendes Handeln schützt also nicht nur vor Strafen, sondern zahlt auch positiv auf die Markenwahrnehmung ein.

5. Nachgewiesene UX Verbesserung: Accessibility macht alles besser

Zahlreiche Case Studies unter anderem von der BBC oder der Nielsen Norman Group zeigen: Verbesserte Accessibility führt zu höherer Zufriedenheit bei allen Nutzern. Das stärkt die Marke, erhöht die Kundenbindung und sorgt für zukunftssichere digitale Angebote.

Wichtige Standards: WCAG, EAA und EN 301 549 erklärt

Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)

Internationale Richtlinien des W3C zur Barrierefreiheit von Webinhalten. WCAG 2.1 wurde am 5. Juni 2018 als W3C Recommendation veröffentlicht und definiert Erfolgskriterien in drei Konformitätsstufen:

  • A (Grundanforderungen)
  • AA (erweiterte Anforderungen)
  • AAA (maximale Zugänglichkeit)

European Accessibility Act (EAA)

EU-Richtlinie 2019/882 vom 17. April 2019, die einheitliche Zugänglichkeitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (z. B. Online-Plattformen, Geldautomaten, E-Book-Reader) in allen EU-Mitgliedstaaten festlegt. Mitgliedstaaten mussten sie bis zum 28. Juni 2022 in nationales Recht umsetzen; verbindliche Anwendung beginnt am 28. Juni 2025

WCAG 2.2 wurde am 5. Oktober 2023 veröffentlicht und ergänzt neun neue Erfolgskriterien, z. B. Fokusindikatoren und Drag-&-Drop-Operationen.

Beispiel:

Level A: Alternativtexte für Bilder

Level AA: Kontrastverhältnis ≥ 4,5 : 1

Level AAA: Gebärdensprache bei Videos.

Wer ist vom EAA betroffen?

Der Europäische Barrierefreiheitsakt (EAA) betrifft viele Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen in der EU anbieten. Dazu zählen u. a. Anbieter von E-Commerce-Websites, Banken, Verkehrsdienstleister oder Betreiber von Selbstbedienungsterminals. Auch viele digitale Dienstleistungen fallen unter die neuen Anforderungen, die ab Juni 2025 verpflichtend werden.

Besonders wichtig: Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) können betroffen sein, wenn sie digitale Dienste bereitstellen. Kleinstunternehmen (weniger als 10 Mitarbeiter und max. 2 Millionen Euro Jahresumsatz) sind von einigen Pflichten ausgenommen, müssen aber dennoch sicherstellen, dass Barrieren nach Möglichkeit reduziert werden.

Diese Informationen dienen der allgemeinen Orientierung und stellen keine Rechtsberatung dar. Unternehmen sollten im Zweifel eine juristische Fachberatung einholen, um ihre individuellen Pflichten zu klären.

EN 301 549

Europäischer harmonisierter Standard für barrierefreie ICT-Produkte und -Dienste. Version 3.2.1 (2021) integriert vollständig WCAG 2.1 Level AA als Mindestanforderung für Websites, elektronische Dokumente und Software

Internationale Barrierefreiheitsgesetze: Ein Überblick

Land Gesetz / Standard Referenzstandard
USA
ADA, Section 508
WCAG 2.0 / 2.1
Kanada
ACA, AODA
WCAG 2.0 / 2.1
Brasilien
LBI – Lei Brasileira de Inclusão (Estatuto da Pessoa com Deficiência)
basiert auf WCAG
Australien
DDA
WCAG 2.0 / 2.1
UK
Equality Act, Accessibility Regulations
WCAG 2.1 Level AA
Japan
JIS X 8341-3
basiert auf WCAG
Deutschland
BFSG – Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
WCAG 2.1 (Über EN 301 549)

Stand der Informationen: Mai 2025

Betroffene Bereiche auf Webseiten

Digitale Barrierefreiheit ist mehr als ein allgemeines Prinzip – sie erfordert spezifische Anpassungen, um den vielfältigen Anforderungen verschiedener Nutzergruppen gerecht zu werden. Hier ein Überblick über zentrale Bedürfnisse und entsprechende Maßnahmen:

👁️‍🗨️ Menschen mit Sehbehinderungen

Weltweit leben schätzungsweise 2,2 Milliarden Menschen mit einer Sehbehinderung oder Erblindung, so die WHO. Neben völliger Blindheit gibt es zahlreiche Formen eingeschränkter Sehkraft – von starker Weitsichtigkeit über Tunnelblick bis zu lichtempfindlichen Augen.

Herausforderungen:

  • Schwierigkeiten beim Erkennen von Texten und visuellen Inhalten
  • Nutzung von Screenreadern oder Vergrößerungssoftware

Empfohlene Maßnahmen:

  • Hoher Farbkontrast zwischen Text und Hintergrund
  • Alternativtexte (ALT-Texte) für Bilder und Grafiken
  • Skalierbare Schriftgrößen und klare Schriftarten
  • Tastaturbedienbarkeit für alle Funktionen
  • Vermeidung von rein visuellen Navigationselementen
Sehschwäche Sehtest

🦻 Menschen mit Hörbehinderungen

Rund 430 Millionen Menschen weltweit haben laut WHO eine behandlungsbedürftige Hörminderung. 

Herausforderungen:

  • Unzugänglichkeit von Audioinhalten ohne visuelle Alternativen

Empfohlene Maßnahmen:

  • Untertitel für Videos
  • Transkriptionen von Audioinhalten
  • Einsatz von Gebärdensprachvideos bei wichtigen Informationen
  • Visuelle Hinweise anstelle von akustischen Signalen

🧠 Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen

Kognitive Einschränkungen betreffen laut WHO weltweit viele Millionen Menschen – dazu zählen Lernschwierigkeiten, Demenz oder Entwicklungsstörungen. Auch Stress oder Erschöpfung können vorübergehend kognitive Barrieren schaffen.

Herausforderungen:

  • Schwierigkeiten beim Verstehen komplexer Inhalte und Strukturen
  • Überforderung durch unübersichtliche Navigation

Empfohlene Maßnahmen:

  • Einfache und klare Sprache, ggf. Einsatz von Leichter Sprache
  • Konsistente und intuitive Navigation
  • Vermeidung von Fachjargon und komplizierten Satzstrukturen
  • Einsatz unterstützender visueller Elemente wie Piktogramme
  • Bereitstellung von Inhalten in verschiedenen Formaten (z. B. Text, Audio, Video)

🖐️ Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen

Millionen Menschen weltweit leben mit eingeschränkter Feinmotorik (WHO)– sei es durch chronische Erkrankungen wie Parkinson, Folgen eines Schlaganfalls oder angeborene Behinderungen. Schon einfache Handlungen wie Klicken, Scrollen oder Drag-and-Drop können zur Herausforderung werden.

Herausforderungen:

  • Schwierigkeiten bei der Bedienung von Maus oder Touchscreen

Empfohlene Maßnahmen:

  • Vollständige Tastaturbedienbarkeit aller Funktionen
  • Große und ausreichend platzierte Klickflächen
  • Vermeidung von zeitlich begrenzten Interaktionen
  • Kompatibilität mit assistiven Technologien wie Sprachsteuerung oder Spezialtastaturen

🎨 Menschen mit Farbsehschwächen

Farbblindheit Sehtest

Rund 5 % der Weltbevölkerung – etwa jeder Zwanzigste – lebt mit einer Farbsehschwäche (Colour Blind Awareness). Betroffene nehmen bestimmte Farbtöne kaum oder gar nicht voneinander unterscheiden. Rot-Grün-Verwechslungen sind besonders häufig. Das führt zu Problemen, wenn Informationen nur farblich gekennzeichnet sind – etwa in Diagrammen, Warnsystemen oder Buttons. Die Kontraste, die für viele funktionieren, sind für diese Zielgruppe unleserlich.

Herausforderungen:

  • Schwierigkeiten beim Unterscheiden bestimmter Farben

Empfohlene Maßnahmen:

  • Verwendung von Mustern oder Symbolen zusätzlich zur Farbkennzeichnung
  • Hoher Kontrast zwischen Vorder- und Hintergrundfarben
  • Vermeidung von Informationen, die ausschließlich durch Farbe vermittelt werden

🧓 Ältere Menschen

Die Weltbevölkerung altert rasant. Laut WHO werden bis 2050 rund 2 Milliarden Menschen über 60 Jahre alt sein. Mit zunehmendem Alter steigen Einschränkungen wie nachlassende Sehkraft, eingeschränkte Motorik oder verminderte kognitive Flexibilität. Das beeinflusst, wie Technik wahrgenommen und bedient wird.

Herausforderungen:

  • Kombination aus verschiedenen sensorischen und kognitiven Einschränkungen

Empfohlene Maßnahmen:

  • Klare und einfache Sprache
  • Große Schriftgrößen und gut lesbare Schriftarten
  • Einfache Navigation mit klaren Strukturen
  • Vermeidung von schnellen Animationen oder blinkenden Elementen

Tools für digitale Barrierefreiheit

 Wer digitale Barrierefreiheit praktisch umsetzen will, braucht die richtigen Werkzeuge.

Globale Standards setzen hier auf erprobte Tools. WAVE prüft Webseiten auf Barrieren und visualisiert die Ergebnisse direkt auf der Seite. Axe ist ein flexibles Framework für Entwickler, das sich leicht in bestehende Workflows integrieren lässt. Google Lighthouse analysiert neben Performance auch Barrierefreiheit und liefert klare Handlungsempfehlungen. Diese Tools sind international etabliert, leicht zugänglich und unterstützen Teams weltweit dabei, ihre digitalen Angebote inklusiver zu gestalten.

A/B Test Ideen für bessere Barrierefreiheit

🎨 Kontrasttests

  • Unterschiedliche Farb- und Kontrastvarianten testen
  • CTA-Buttons mit kontrastreicher Hinterlegung vs. dezente Varianten vergleichen

🖱️ Klare Buttons & intuitive Navigation

  • Button-Beschriftungen testen (z. B. „Jetzt anmelden“ vs. „Weiter“)
  • Navigation mit erklärenden Icons vs. reine Textnavigation vergleichen

📝 Optimierte Formulare

  • Kurze vs. lange Formularversionen testen
  • Unterschiedliche Beschriftungen und Platzhaltertexte vergleichen
  • Fehlermeldungen mit nur Text vs. Text + visuellem Hinweis testen

🎥 Alternative Medienzugänge

  • Videos mit vs. ohne Untertitel testen
  • Audiotranskripte prominent platziert vs. nur auf Anfrage verfügbar testen

⌨️ Tastaturbedienbarkeit & Fokusführung

  • Fokus-Markierungen sichtbar vs. unsichtbar testen
  • Verschiedene Reihenfolgen der Fokusführung testen

🚦 Animations- und Bewegungstests

  • Seiten mit dezenten Animationen vs. ohne Animation testen
  • Bewegte Banner vs. statische Alternativen vergleichen

🛠️ Testumsetzung

Um die genannten A/B-Testideen schnell und ohne Entwicklungsaufwand umzusetzen, eignet sich das Tool Varify.io. Damit lassen sich visuelle Varianten direkt im Browser erstellen – ganz ohne Code. Du kannst etwa Kontraste, Texte oder Buttonfarben live verändern und direkt testen, wie sich diese Anpassungen auswirken.

Einzelnachweise

  1. European Union (2019): Directive (EU) 2019/882 of the European Parliament and of the Council of 17 April 2019 on the accessibility requirements for products and services. [Accessed on: 01.05.2025]
  2. World Wide Web Consortium (W3C) (2018): Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1. [Accessed on: 01.05.2025] 
  3. World Wide Web Consortium (W3C) (2023): What’s New in WCAG 2.2. [Accessed on: 01.05.2025]
  4. Colour Blind Awareness (n.d.): Colour Blindness. [Accessed on: 05.05.2025]
  5. World Health Organization & World Bank (2011): World Report on Disability. [Accessed on: 05.05.2025]
  6. World Health Organization (2022): Ageing and Health. [Accessed on: 05.05.2025]
  7. World Health Organization / Inclusion Europe (2020): Disability considerations during the COVID-19 outbreak. [Accessed on: 08.05.2025]
  8. World Health Organization (2021): World Report on Hearing. [Accessed on: 08.05.2025]
  9. World Health Organization (2019): World Report on Vision. [Accessed on: 08.05.2025]
  10. Colour Blind Awareness (n.d.): Colour Blindness Facts & Figures. [Accessed on: 09.05.2025]
Robin Link
Autorenbild
Growth Manager
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